TTCup 2013 übertrifft alle Erwartungen

Überragendes Niveau und der Sieg eines Veteranen

Von Thiago Maschkerano

 

Es ist ein Bild mit Symbolcharakter, als RobbyRob bei der abendlichen Siegerehrung für seinen dritten Platz geehrt wird. Wie von der Tarantel gestochen dreht der Berliner Debütant eine emotionsgeladene Jubelrunde und bringt die prall gefüllte Aftershow-Arena im Estadio de la Calle Campo in Rudisleben zum Kochen. Nie war die Freude über einen dritten Platz so groß, denn nie war das Niveau derart überragend und ausgeglichen wie bei der achten Auflage des Tischtenniscups in diesem Jahr.

Bereits am Vorabend des Cups schwört sich die Creme de la creme des ohnehin illustren Starterfeldes im weltberühmten Fünf-Sterne-Etablissement von Gudrun Wagner, von Thiago ehrfürchtig nur Frau Wagner genannt, auf die sportliche Herausforderung ein. In der Luxusherberge mitten in Rudislebens Roter Meile gaben sich bereits Weltstars wie Joachim „Kaktus“ Lindner, Werner Michael oder Dirk Rühlemann die Klinke in die Hand. Getreu dem Motto „Nur ein betrunkener Teilnehmer ist ein würdiger Teilnehmer“ macht die gesellige Runde reichlich von diversen Spirituosen Gebrauch.

 

Am Turniertag platzt die Tribüne der traditionsreichen Spielstätte in der Fieldstreet Number One schon aus allen Nähten, bevor überhaupt der erste Zelluloidball über das Netz geflogen ist. Rund vier Zuschauer drängeln sich auf den VIP-Plätzen um die beste Sicht und haben dafür Schwarzmarktpreise von bis zu 1,20 Euro in Kauf genommen.

 

Die drei Organisatoren des Events lassen sich auf dem Weg zur prä-cupalen Pressekonferenz gebührend feiern. Es ist schon eine Augenweide, wie Franco Ortiz,  Bastos Lindao und Mathew Woodman in ihren maßgeschneiderten Anzügen der Marke Kik die Arena betreten. Woody lässt es sich nicht nehmen, in einem frisierten Rasenmäher der krisengeschüttelten Firma Bosch einzufahren. Er ahnt bereits, dass es an diesem Tag sein einziger sportlich wertvoller Auftritt bleiben wird.

 

Dennoch kann er auch in diesem Jahr wieder einen echten Sponsorenkracher aus dem Hut zaubern. So präsentiert er den staunenden Teilnehmern den High-End-Discounter Norma als Nachfolger des im Unfrieden geschiedenen Hauptsponsors, der Yasin el Ishaq Oil Foundation. Damit zieht er umgehend den Unmut von Bitch Coordinator Ortiz auf sich, der derzeit als Ladendesigner der Billigkette Rewe Weltkarriere macht. Ortiz ist sichtlich erbost darüber, dass seine Firma von einem direkten Konkurrenten als Sponsor eines derart prestigeträchtigen Wettbewerbs, wie es der TTCup zweifelsohne ist, ausgestochen wurde. Der Zwist gibt den Pressevertretern recht, die im Vorfeld immer wieder über zwischenmenschliche Unzulänglichkeiten im Organisationskomitee spekuliert hatten.

 

Doch damit zum Sportlichen: In der modernen Scheune gehen beim achten TTCup 30 bis in die letzte Faser austrainierte Athleten an den Start. Nach der von Co-Sponsor Reinhard Förster durchgeführten Auslosung stehen nach gefühlten zwei Stunden die fünf Sechsergruppen fest, von denen später jeweils die ersten Drei sowie der beste Vierte ins Achtelfinale einziehen.

 

Gruppe A ist eine relativ klare Angelegenheit. Die drei Herren der Schöpfung, Daniel De Vito,  Thiago „Dr. Jaykelle“ Maschkerano und Basti Fantasti wehren den Ansturm der drei Amazonen Juliane, der amtierenden Prinzessin von und zu Berlin-Neukölln Anne sowie Mary J. Erdmann routiniert ab und kommen weiter.

 

Auch in Gruppe B geben die Männer den Ton an. Neuling Daniel „BreisGaucho“ sorgt mit seinem kreativen Super-Mario-Gedächtnisoutfit nicht nur für ein optisches Schmankerl, sondern wird auch ungeschlagen Gruppenerster. Ihm folgen SV09-Bomber Philipp und Christian „Stoneaerie“ ins Achtelfinale. Stieg Steinsen aus Dänemark zeigt sich nach seiner Teilnahme am knallharten „Body Change“-Programm von Detlef „Dee!“ Soost stark verbessert und schafft als Gruppenvierter immerhin zwei Siege. Die beiden Damen, Carina und Steffi, fungieren nach durchzechter Nacht als schmückendes Beiwerk und komplettieren die Gruppe.

 

In Gruppe C zeigt „La Bestia Negra“ Marcel, seines Zeichens zweifacher Titelträger, dass er angetreten ist, um zum dritten Mal zu triumphieren und damit den prunkvollen, mit echten Kieselsteinen verzierten Siegerpokal endgültig in seine pygmäengerechte Vitrine stellen zu dürfen. Er entscheidet trotz zweier Satzverluste die Gruppe für sich. Newcomer Robin schafft es auch ohne Batman's tatkräftige Unterstützung auf Platz zwei. Abwehrspezialist Patricio Di Michale, der immer noch als einer der Hauptverdächtigen des spektakulären Pokalraubs gilt, folgt den beiden in die nächste Runde. Newcomer Daniel aka Scarface muss sich trotz furchterregender Kriegsbemalung mit Rang vier begnügen, gefolgt von Kühni, der sich jedoch zu diesem Zeitpunkt schon voll und ganz auf ein später folgendes seltenes Naturschauspiel vorbereitet, und dem chancenlosen Kristian.

 

Gruppe D ist an diesem Tag die ausgeglichenste. Gleich fünf Teilnehmer treten mit Ambitionen auf die nächste Runde an – und André. „The Berlin Wall“ Stef wird seinem Favoritenstatus gerecht und gewinnt die Gruppe ohne Satzverlust. Mathew Woodman wird mit fragwürdiger Spielweise und noch fragwürdigerem Outfit – unter anderem ziert eine Leopardenstrumpfhose seiner Mutter Siegrid Förster seine blassen Schimpansenbeine – nach einem Auf und Ab Gruppenzweiter. Jessica lässt sich trotz des öffentlichen Liebesbekenntnisses ihres langjährigen On-Off-Geschlechtspartners Franco Ortiz zu seinem bärtigen Gespielen Thiago Maschkerano nicht vom Weg abbringen und kommt als Dritte ebenfalls eine Runde weiter. „Killerbarbie“ Manu und GV-Kunzer wird ihre Unkonstanz zum Verhängnis. Sie scheiden ebenso wie die alljährliche Rote Laterne André aus. Letzterer schafft es zumindest, seine Kelle dieses Jahr an der Tribünentraverse zu zerschmettern, nachdem er im letzten Jahr beinahe seinen Kirmes-Tanzpartner Stieg Steinsen vollkommen im Zorn mit selbiger enthauptet hätte.

 

Auch in Gruppe E bietet sich ein ausgeglichenes Bild: Hinter dem souveränen Gruppensieger Alex erreichen der beleibte, aber dennoch beliebte „Ghostarm“ Gutschi, die nach dem Beziehungsdrama mit dem diesmal nicht anwesenden Nepalesen Wu frisch verliebte Jacqueline und Franco „Girl Hunter“ Ortiz als bester Gruppenvierter die K.o.-Runde. Matti zeigt erneut, dass er mit der Kamera und den Turntables besser umgehen kann als mit dem Tischtennis-Schläger. Paul jagt mit seinem Kampfnamen „Danger Dohse“ nicht mal den Hühnern in Lindner's Hof Angst ein und wird Gruppenletzter. 

Vor dem Achtelfinale spielt Prinzessin Anne, die an diesem Tag offenbar glaubt, dass die Sonne in der Tube wohnt, Schicksal und lost die Begegnungen aus. Daniel De Vito, die Magerversion von Jason Statham – oder auch Stateman, wenn es nach Kommentator GV Kunzer aka Penismütze aka Wolff-Christoph Kunz geht – gewinnt die erste Begegnung in einem sehenswerten Topspin-Duell gegen Christian klar mit 3:0. Basti sorgt für eine wahre Sensation, als er den sprichwörtlich turmhohen Favoriten Stef mit 3:1 aus dem Turnier katapultiert. Ob es daran lag, dass dieser in der Nacht zuvor von seiner Freundin Steffi zu sehr gefordert wurde, wird die Video-Auswertung von Woody's Home Cam zeigen. Franco und Marcel fügen ihrer privaten Fehde ein sportliches Kapitel hinzu, allerdings zerstört der Titelverteidiger seinen knochigen Kontrahenten regelrecht und gewinnt einen Satz sogar zu Null. BreisGaucho Daniel zeigt, dass er sein Gaucho-Handwerk versteht und fängt Jacqueline locker mit 3:0 ein. Auch Jessica muss anschließend als letzte Frau die Segel streichen und wird von Alex klar in die Schranken gewiesen. Woody Woodson zermürbt in einer unansehnlichen, aber spannenden Abwehrschlacht den grimmigen Hünen Di Michale und zieht unerwartet ins Viertelfinale ein. Das Duell zwischen Robin und Thiago ist ohne Zweifel und ohne Eigenlob des Autors das hochklassigste der ersten K.o.-Runde. Trotz hartnäckiger Fußverletzung, zugezogen bei einem spektakulären Kullertor in der ersten Kreisklasse, verlangt Thiago seinem Kontrahenten alles ab und zeigt nach Alkoholeskapaden und Formschwäche in den Vorjahren diesmal eine starke Leistung. Gegen die Klasse des impulsiven RobbyRob, dem er am Vorabend noch den Kopf verdreht hatte, reicht es allerdings nicht. Nach drei umkämpften Sätzen kommt der sympathische Berliner eine Runde weiter. Philipp lässt Gutschi laufen, was sich als wirkungsvolle Taktik erweist und den Neuling ins Viertelfinale bringt.

 

Dort behält im Duell der Veteranen Daniel Stateman gegen Mathew Woodman, der zum Trost als bestes Peggy-Bundy-Double geehrt wird, die Oberhand und steht nach einem lockeren 3:0 als erster Halbfinalist fest. Robin setzt seinen Siegeszug fort und lässt Alex keine Chance. Sebastian zeigt sich sichtlich beflügelt von seinem Coup gegen den Turnierfavoriten und setzt den Hoffnungen des von einigen Scouts im Vorfeld als Geheimtipp eingestuften Philipp ein jähes Ende. Im letzten Viertelfinale kämpfen BreisGaucho Daniel und Marcel „T-Rex“ Täschner nicht nur ums Weiterkommen sondern ebenso um den Titel des kleinsten Teilnehmers. Letzteren kann unangefochten Marcel erringen, doch sportlich hat der Titelverteidiger gegen das variable Spiel des Rinderzüchters kein Rezept und muss die Hoffnungen auf den dritten TTCup-Sieg nach einer 1:3-Niederlage begraben.

 

Das Halbfinale zwischen Daniel Erdmann, den alle nur Daniel Erdmann nennen, und Robin „Jump, jump“ Robson ist ohne jegliche Übertreibung das beste Spiel, das der Tischtenniscup in seiner ruhmreichen Historie bisher erlebt hat. Penismütze Kunz kann auf seinem Kommentatorenschemel gar nicht so schnell Kirsche saufen, wie er klatschen muss, und auf dem Oberrang des modernisierten Centre Court wird während dieses atemberaubenden Duells der Trommel-Fanclub „Nordkurve 13“ geboren. Mathew und Thiago verwandeln mit ihrer rhythmischen Safri-Duo-Performance die Scheune endgültig in ein Tollhaus. Co-Kommentator Fritz von Thurn und Kühn verliert vor Lachen fast sein Sehhilfe, doch die ist glücklicherweise mit einem Brillenbändchen gesichert. Kameramann Metti Konfetti dürfte angesichts der pausenlosen Topspeed-Topspin-Rallyes noch heute an den Folgen eines Schleudertraumas leiden. Daniel, dem bei seinen bisherigen Teilnahmen maximal ein zweiter Platz vergönnt war, hebt sein Spiel an diesem Tag auf ein völlig neues Level und zieht nach einem dramatischen und geschichtsträchtigen Fünf-Satz-Krimi, der von Alaska bis Wladiwostok für Standing Ovations sorgt, ins Finale ein. Im zweiten Halbfinale komplettiert Daniel aka Super-Mario aka Asterix das sahnige Dani-Finale und zerstört die Hoffnungen des Gastgebers Basti Fantasti mit einem humorlosen 3:0. Damit hält der Organisatoren-Fluch an: Abgesehen von Thiago, der nach einem unrühmlichen Scharmützel jedoch mittlerweile aus dem OK hinauskomplimentiert wurde, gelang es noch keinem der Organisatoren, den TTCup für sich zu entscheiden.   

Im Spiel um Platz drei behält Robin die Oberhand über Basti und springt danach höher, als sein kongenialer Partner mit der schwarzen Maske je fliegen konnte.

 

Das Finale reiht sich in der Liste der „greatest games of all time“ gleich hinter besagtem Halbfinale ein. Es entwickeln sich unfassbare Ballwechsel. Wo Dani hinschlägt, ist Dani schon zur Stelle – und umgekehrt. Diverse Trommelstöcke sind in der Nordkurve schon zu Bruch gegangen, doch das hindert Thiago, der sich nach einer vollen Kirsch-Betankung mittlerweile auf dem Jupiter befindet, nicht daran, wie von Sinnen weiter auf die arme Blechwanne einzuschlagen. Nach einer wahren Schlacht, die eigentlich zwei Sieger verdient hätte, holt Daniel Erdmann nach langem Anlauf seinen ersten TTCup-Sieg und wird umgehend für „Transporter 4" engagiert.

 

Die After-Event-Party macht ihrem Namen alle Ehre, denn die Tanzeinlagen der Backstreet Gays rund um Franco, Mathew, Paul, Kunzer und Kühni sind an Homoerotik kaum zu überbieten. Auch Patty „Bratmaxe“ Michael bringt immer wieder ein paar gut gebräunte Würste und natürlich seine unvergleichliche „Ich bin horny“-Version seines großen Vorbilds Troopa da Don ins Spiel. Mit seinem Magic Stick bringt André die Crowd zum Kochen und zeigt obendrein als fürsorglicher Sangria-Verkoster, dass weitaus mehr in ihm steckt als ein Punktelieferant an der Tischtennisplatte. Die Dance-Moves der kleinen Show-Kugel GV Kunzer würden selbst Michael Jackson zu Lebzeiten vor Neid (noch weiter) erblassen lassen. Getoppt werden sie an diesem launigen Unterhaltungsabend lediglich von einem – das hatten sie so angesagt – seltenen Naturschauspiel. Ein orange gefiederter Adler der Gattung Aquila rapax erscheint urplötzlich am Firmament und landet mit einem sanften Flügelschlag mitten auf dem Dancefloor. Es ist der krönende Abschluss eines wieder mal einzigartigen und vom sportlichen Niveau her bislang unerreichten Tischtenniscup 2013, der schwer zu toppen sein wird. Zum Abschluss noch einmal herzlichen Dank an Oma Lindner, Oma Michael, Mama Förster und Franzi Erbe für den leckeren Kuchen, wobei Mama Förster auch ihre Qualitäten als Herbergsmutter eindrucksvoll unter Beweis stellte, ihre Berliner Gäste liebevoll zudeckte und ihnen eine spannende Gute-Nacht-Geschichte erzählte. Auch bei der allmorgendlichen Polonäse zu den Klängen von Scooter wusste sie zu überzeugen.

 


Was war's Letzte? Sauerkirsche! Bis nächstes Jahr...