Hochkarätiges Teilnehmerfeld und weibliche Glanzlichter bei spektakulärer TTCup-Olympiapremiere

Von Thiago Maschkerano

 

Als die BILD-Zeitung vor einigen Wochen titelte: „Olympia-Hammer: Förster/Lindner holen Olympia nach Rudisleben!“, war man geneigt zu denken: na ja, mal wieder so 'ne typische, an den Haaren herbeigezogene BILD-Schlagzeile, um die Verkaufszahlen zu erhöhen. Von wegen! Tatsächlich schafften es Joseph A. Förster und Sebastian Platini durch die Bestechung einiger karibischer IOC-Delegierter, den olympischen Tischtenniswettbewerb aus dem beschaulichen London in die thüringische Metropole Rudisleben zu holen.

 

Am 28. Juli war es dann so weit: Die Fieldstreet Chicken-and-Pig-Arena platzte aus allen Nähten. Sage und schreibe 28 Nationen waren angetreten, um olympische Ehren und den prunkvollen Yasin-el-Ishaq-Pokal zu kämpfen. Nachdem am Abend zuvor bereits London zeigte, was eine grandiose Eröffnungsfeier zu bieten hat, legten die Organisatoren in Rudisleben die Messlatte noch einmal ein ganzes Stück höher. Nach dem Einmarsch der Athleten in die prall gefüllten Arenen wurde das olympische Feuer durch einen sichtlich erschöpften Rudislebener Nachwuchssportler entzündet. Mit letzter Kraft schleppte er sich zum Feuer und unter tosendem Applaus begann die olympische Flamme zu brennen.

 

Aber zum Sportlichen: In einer knochenharten Qualifikationsrunde war unter anderem sogar das Mutterland des Tischtennis China auf der Strecke geblieben. Stattdessen qualifizierten sich Exoten wie St. Vincent und die Grenadinen oder Deutschland für den olympischen Showdown. Einigen Teilnehmern schien das Blitzlichtgewitter schon im Vorfeld Angst eingejagt zu haben. So trank sich Jakob Drogba von der Elfenbeinküste am Vorabend reichlich Mut an und marschierte als einziger Sportler mit zwei Fahnen ins Stadion ein. Nicht nur deshalb konnte der bärtige Geheimfavorit an diesem Tag die Erwartungen nicht erfüllen.

Bereits die Vorrunde bot Feinkost für alle Liebhaber des kleinen weißen Zelluloidballs. In vier Siebenergruppen wurde verbissen um die 16 Plätze fürs Achtelfinale geschnibbelt und geschmettert. In Gruppe A schaffte der frischgebackene Sieger der Pygmälympics, Marcel aus Spanien, auf Anhieb den Sprung zu den Großen. Dabei erfüllte er nur dank Wachstumshormonen die Größenanforderung des TT-Cups von mindestens 1,52 Metern. Er sicherte sich ohne Satzverlust Platz eins in der Gruppe. Dahinter erkauften sich die Veranstalter Sebastian (Italien) und Mathias zwei Plätze fürs Achtelfinale. Von Italienern ist man Betrügereien ja schon vom Fußball gewohnt, aber von einem Hondurianer hätte man das weniger erwartet. Applaus verdiente er sich diesmal wenigstens für sein Outfit, das die Zuschauer ausnahmsweise nicht dazu animierte, die Augenbinde rauszuholen. Für Guam erkämpfte sich außerdem Kunzi einen Platz in der K.o.-Runde – dank striktem GV-Verzicht in der Vorbereitung. Für Zottel-Willi (St. Vincent und die Grenadinen), den kurzfristig nachnominierten und mit Urlaubsspeck kämpfenden Stig Steinsen (Dänemark) und den nach nächtlichem Einsatz bei Ingrid völlig entkräfteten und mit verklebtem Angorafell spielenden Andy „The Racer“ (Nauru) war die olympische Bühne noch eine Nummer zu groß.

 

Gruppe B sah mit Polen einen verdienten Sieger. Claudi zeigte, dass auch Frauen Tischtennis spielen können und dass man in Polen außer Autos knacken auch noch andere Sachen im Schulsport übt. Dahinter kämpften sich die seltene papua-neugineische Vogelart Briczi, Wu aus Nepal und trotz zwei Promille Restalkohols auch Jakob (Elfenbeinküste), der die Gegner mit spirituosengeschwängertem Atem von der Platte hauchte, eine Runde weiter. Manu vertrat Deutschland würdevoll und scheiterte nur knapp am Weiterkommen. Anne verzückte die zahlreichen mitgereisten französischen Fans mit einfallsreichem Tricolore-Outfit, hielt sich aber wie auch Franzi aus Kiribati an das olympische Motto „Dabei sein ist alles“.

 

In Gruppe C waren gleich zwei große und ein breiter Favorit vertreten. Die beiden großen – der zweifache Cupsieger Stef von den Bahamas und der schwedische Holzfällerhüne Thomas – wurden dieser Rolle von Anfang an gerecht und kamen souverän eine Runde weiter. Der breite – Gutschi aus Botswana – hatte zwei Jahre nach seinem Triumph für die DDR offensichtlich mit den Nachwirkungen der Absetzung seiner Dopingpräparate zu kämpfen und zitterte sich gerade so eine Runde weiter. Außerdem setzte XXL-Cleopatra Jacqueline aus Ägypten ein weiteres weibliches Ausrufezeichen und sicherte sich ihr Ticket fürs Achtelfinale. Flo von den Britischen Jungferninseln wartete vergeblich auf seine sportliche Entjungferung und durfte lediglich die Siegerfotos der anderen schießen. Er musste sogar kurzfristig durch Maria ersetzt werden, die ein frühzeitiges Ausscheiden aber auch nicht mehr verhindern konnte. Klemi (Antigua und Barbuda) konnte sich trotz vielversprechender Ansätze nach der Vorrunde darauf konzentrieren, ihrem exotischen Spielgefährten Briczi die Daumen zu drücken. Gleiches galt für die Kubanerin Juli Ane, der der GV-Verbot ihres Guamesen ebenso wenig schmeckte wie ihre Gegner an diesem Tag.

Nach dem Motto „Die Letzten werden die Ersten sein“ verpasste Dani aus Kambodscha erst die feierliche Eröffnungszeremonie auf den glamourösen Pflastersteinen der Fieldstreet, um dann unangefochten Gruppe D zu dominieren. Hinter dem mit furchteinflößendem Backenbart und Mohikanerfrisur aufwartenden Kambodschaner sicherten sich Nachwuchs-Ali Christian (Türkei), der argentinische Rinderzüchter Patricio Miguel und die lüsterne Gespielin des durch Abwesenheit glänzenden Bitch-Coordinators Franco Ortiz, Jessica aus Nicaragua, die Plätze in der K.o.-Runde. Matti von den Marshallinseln hätte lieber die Zeit dazu nutzen sollen, sich mit dem Selbstauslöser seiner Kamera zu beschäftigen. Jedenfalls blieb für ihn auch der Umgang mit der Tischtenniskelle ein unlösbares technisches Rätsel, er schied ebenso aus wie der hawaiianische Neuling Paul und die karibische Hülsenfrucht Aruba-Erbse, die allerdings mit leckeren Backwaren in Landesflagge die hungrigen Mägen ihrer Mitstreiter eroberte.

 

Die Achtelfinals boten größtenteils wenig Spannung. Marcel, vom heißspornigen Moderator Wolff-Christoph Kunz aka „die Penismütze“ liebevoll Täsch Fabregas genannt, setzte seinen spanischen Siegeszug ohne Satzverlust fort, auch wenn ihm sein großes Vorbild, der mittlerweile wieder einigermaßen nüchterne Ivorer Jakob Drogba, einige Schmetterbälle um die Zwergenohren haute. Sebastian Pirlo zeigte, dass er auch mit fairen Mitteln mithalten kann und schickte Überraschungsmann Wu zurück in den Himalaya. Briczi musste zwar gegen Mathias einen Satz abgeben, doch er setzte dem unlauteren Treiben des diktatorischen Machthabers ein Ende und zeigte, dass sich sein knallhartes Trainingslager mit Traktorreifenziehen durch die Wüste Gobi gelohnt hatte. Claudi beendete zu Julianes Freude die GV-freie Zeit des kompakten Guamesen Kunzi. Stef ließ Jessica ebenso wenig eine Chance wie Thomas Patrick im Duell der Riesen. Jaci (Ägypten) muss hoffen, dass sie nach ihrem Ausscheiden gegen den osmanischen Youngster Christian bei ihrer Heimkehr nicht den Nilkrokodilen zum Fraß vorgeworfen wird – die Nilkrokodile würden sich freuen. Ein erwartet enges Match lieferten sich Dani und Gutschi. Schließlich behielt Dani mit 3:2 die Oberhand.

 

Ein klasse Spiel bekamen die sage und schreibe 23 Zuschauer auf dem Centre Court im ersten Viertelfinale geboten. Nach hartem Kampf musste am Ende auch der zweite Gastgeber Sebastian gegen den neuen Jan-Ove Waldner Thomas mit 2:3 die Segel streichen. Das Duell der beiden langjährigen Freunde entschied Marcel gegen Briczi klar mit 3:0 für sich. Auch Dani setzte seinen Siegeszug ungehindert fort und bereitete der von Christian am Bosporus entfachten Tischtenniseuphorie ein jähes Ende. Das wohl beste Spiel des Turniers und vorweg genommene Finale lieferten sich Rekordsieger Stef und „Polish Dynamite“ Claudi. Im ersten Satz sah es trotz starker Gegenwehr nach einer klaren Sache für den Titelverteidiger aus. Mit 11:0 schickte er ein scheinbar demoralisierendes Signal an die Konkurrenz. Doch es war eine Augenweide, wie Claudi sich danach zurückkämpfte und Stefs Rückhand-Topspins ein ums andere Mal variantenreich auskonterte. Sie sicherte sich gegen den mehr und mehr ratlos dreinblickenden Wahl-Bahamesen mit brandenburgischen Wurzeln die folgenden drei Sätze und zog unter dem Jubel ihres Emanzen-Fanclubs auf der Haupttribüne ins Halbfinale ein.

 

Ein ähnliches Bild bot sich den mittlerweile 25 Zuschauern – zwei Unbekannte schlichen sich heimlich vom gleichzeitig stattfindenden Dorffest in die Chicken-and-Pig-Arena und sollten bei der olympischen Abschlussfeier noch von sich reden machen – in den beiden Halbfinals. Beide Spiele mündeten in klaren 3:0-Siegen. Claudi befand sich auf einer wahren Erfolgswelle und ließ sich auch vom schwedischen Zwei-Meter-Mann und dessen Rauschebart nicht beeindrucken. Und Marcel ließ die Spanier nach dem EM-Sieg vom nächsten großen Triumph träumen, als er den bis dahin ebenfalls überzeugenden Kambodschaner Dani mit nahezu fehlerfreiem Spiel verzweifeln ließ. Letzterer konnte sich wenigstens die Bronzemedaille sichern und hat bereits angekündigt, seinen 14 Millionen von Armut gebeutelten Landsleuten mit dem Preisgeld aus der Yasin-el-Ishaq-Foundation ein besseres Leben zu ermöglichen.

 

Das Finale war der krönende Abschluss des qualitativ und atmosphärisch hochwertigsten TT-Cups aller Zeiten. Die beiden Kontrahenten Marcel und Claudi boten sich derart atemberaubende Vorhand-Rallyes, dass Moderator „Penismütze“ Kunz die begeisterten Fans mehrmals ans Durchatmen erinnern musste. Den vielleicht nicht besseren, aber doch längeren Atem hatte am Ende „el chiquito español“, der kleine Spanier. Es bleibt zwar noch zu prüfen, ob seine Wachstumshormone mit den Dopingrichtlinien des IOC kollidieren, aber nach hartem Kampf holte er sich mit 3:1 Sätzen den begehrten Pokal.

 

Begehrt war bei der olympischen Abschlusszeremonie vor allem das Mikrofon des DJ's Penismütze. Für die Unterhaltung der tanzwütigen und und trinkfesten Meute wurden extra das Voice-Double von Michael Winslow aus „Police Academy“, Martin „Stein“ Hartleb, und der Marktschreier der LPG Rudisleben, Patrick Michael, eingeflogen. Ein unvergesslicher Tag für alle Olympioniken!